Fini

Dann ist er da, der Morgen, an dem all Deine Forschungen und die gelesenen Bücher zu einer Erkenntnis kulminieren, und es kein Sieg ist, kein glorreicher Moment, als Du final erkennst, dass all die Kämpfe mit Dir, die Suche nach dem Sinn, dem Inhalt und dem Weitermachen umsonst waren. Du hast fast Dein ganzes Leben gegen eine Windmühle gekämpft, hättest ihr niemals helfen können, warst aber auch nie selbst daran schuld. Sie hat eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, und niemand hat es Dir gesagt, weil niemand es übers Herz gebracht hat, ihr zu sagen. Dass jener Therapeut, bei dem sie damals war, als es Dir so dreckig ging, sie abgelehnt hat, nicht als Patientin aufnehmen wollte, hattest Du kurz als Hinweis gelesen, aber gleich wieder vergessen. Deine Blütezeit ist vorbei, Du bist alt und grau, voller Falten und Orangenhaut. Du hast einen Sohn, um den Du Dich fast zu wenig gekümmert hast, weil Du auch seit er auf der Welt ist, noch viel mehr Verständnis aufbringen wolltest, da ihre Kindheit so traumatisch war, weswegen Du ein schlechtes Gewissen hattest, sie zu retraumatisieren. Sie hat es nicht ertragen, wie bedingungslos Du Dein Kind liebst, das erste Jahr seines Lebens hat sie Dich nur beschimpft, wenn sie Dich sah. Du hast es runtergeschluckt, bist um sie gekreist, hast gehofft, ihr irgendwie noch helfen zu können, irgendwann. Wenn Du nur einmal alles richtig machen würdest, hätte die nette Phase so lange gedauert, dass sie die bitterböse Phase vergessen kann. Jetzt bist Du aufgewacht, siehst den eisenen Ofen, in dem sie sitzt, und bist todtraurig. Du hast es fast zu spät erkannt. Deine Chancen im Leben sind vorbei. Du hast wem gedient, der nichts davon hatte. Du hast Deine geistige Gesundheit geopfert, über lange Jahre, an eine Schimäre, die Dir getan hatte, als liebte sie Dich, zwischendurch, und weil Du es nicht anders kanntest, hast Du das einfach geglaubt. Gedacht, Du selbst seist falsche. Von Grund auf. Es tut mir so leid. Ich habe es echt versucht.